Löb Strauss

levistrLöb Strauss war ein „Wirtschaftsflüchtling“, doch seine Lage entstand aus politischer Verfolgung. Als er 1829 in Buttenheim bei Bamberg geboren wurde, war es jüdischen Kindern gerade einmal seit 25 Jahren erlaubt, allgemeine Schulen zu besuchen. Erst seit 1805 wurde keine Extrasteuer auf Jüdischsein mehr erhoben. Zehn Jahre vor Löbs Geburt vertrieben Würzburger Bürger, vor allem Studenten, die jüdischen Einwohner der Stadt aufs Land, töteten einige und plünderten ihre Geschäfte. Im Jahr 1813 trat das sogenannte Judenedikt in Kraft, dass als vordergründiger politischer Kompromiss die Juden in Bayern assimilieren sollte: sie durften nun fast jeden Beruf annehmen (zuvor nur Viehhandel und Hausieren), das war ein Vorteil. Gleichzeitig wurde ihnen das Hausieren verboten (für Hausierer, die keinen anderen Beruf gelernt hatten galt Bestandsschutz), es wurden Höchstzahlen jüdischer Menschen in den einzelnen Gemeinden festgelegt (Überzählige mussten auswandern), es mussten „deutsche“ Namen angenommen werden und Eheschließungen bedurften der Genehmigung der Ämter.

Und trotzdem ging es der Familie Strauss bis 1846, als Löb 16 Jahre alt war, wirtschaftlich recht gut. Dann starb sein Vater, Hirsch Strauss, an Tuberkulose. Die von Löbs Mutter Rebekka geführte Familie beschloss nach New York auszuwandern, an die „Kleindeutschland“ genannte Lower East Side, wo zwei von Löbs Brüdern bereits einen Stoffhandel betrieben. Ein Ausreiseantrag bei den bayrischen Behörden wurde positiv beschieden, nachdem die Familie ein Barvermögen nachweisen konnte, das über den Kosten der Überfahrt lag. Gleichzeitig musste sichergestellt werden, dass keine finanziellen Forderungen gegen die Familie mehr vorlagen – dazu wurde im Königlich Bairischen Intelligenzblatt eine Bekanntmachung veröffentlicht:

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Bis heute ist nicht eindeutig geklärt, wie die Familie das Geld aufbrachte, aber im Sommer 1848 erreichte sie New York und zog zu Löbs Bruder Jonathan, der sich mittlerweile Jonas nannte (während Lippmann seinen Namen zu Louis geändert hatte), in die Division St. Manhattans, wenige hundert Meter von der später gebauten Brooklyn Bridge entfernt.

Jonas und Louis waren mit ihrem Stoffhandel nicht reich geworden, konnten aber ihr Leben finanzieren. Perspektive für die Familie bot das nicht – der beginnende Goldrausch in Kalifornien allerdings schon. Keiner der Strauss‘ erwartete, dort Gold zu finden, aber Stoffe wurden dort sicher gebraucht. Wie es, gerade in den jüdischen Familien üblich war, musste einer voraus. Der junge, angelernte aber ungebundene Löb war geradezu prädestiniert für diese Reise. Er beantragte die amerikanische Staatsbürgerschaft und verließ Anfang Februar 1853 New York Richtung Panama. Dort angekommen, überquerte er die dünne Landmasse mit Zug und zu Fuß, nahm am 19. Februar ein Dampfboot und erreichte am 6. März Los Angeles als Levi Strauss. In Kalifornien wurde er innerhalb von nur zehn Jahren zu einem respektierten Kaufmann.

1872 bekam Levi Strauss einen Brief von einem anderen „Wirtschaftsflüchtling“ namens Jacob Davis, einem in Lettland als Jakob Jufess geborenen Juden. Davis besaß eine kleine Schneiderei und hatte einige Zeit damit experimentiert, Hosen für Minenarbeiter nicht einfach nur zu nähen, sondern mit Nieten zu verstärken – was so viel Erfolg hatte, dass er in anderthalb Jahren 200 Hosen herstellte und verkaufte. Weil andere Schneider die Idee übernahmen, wollte Davis ein Patent anmelden, hatte aber die 68 Dollar Gebühr dafür nicht. Er nahm Kontakt zu Levi Strauss auf und gemeinsam begründeten die beiden aus ihrer europäischen Heimat geflohenen Männer das, was bis heute als „Blue Jeans“ ein Produkt von Weltrang ist.

31 Jahre alt, promoviert an der Universität Heidelberg.

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