Bedingungen der Einwanderung nach Bolivien ab 1938

Im September 1938 sandten Dr. Arthur Prinz, Herausgeber des Bulletins Jüdische Auswanderung, und Kurt Stillschweig, Experte des Hilfsvereins für Juden in Deutschland für Migrationsfragen, ein Rundschreiben[1] an alle Auswandererberater im Reich, in dem sie die Bedingungen für eine Auswanderung nach Bolivien erläuterten.

In Bolivien sei von der jüdischen Auswandererorganisation HICEM ein Comité eingerichtet worden, das direkt mit der Bolivianischen Regierung verhandeln könne, was die Arbeit des Hilfsvereins sehr erleichtere. Die bisherige Praxis für die Vergabe von Visa sei geändert worden, da die Migrant_*innen in Bolivien zum Teil nicht den Beruf ausgeübt hätten, den sie in ihren Heimatländern innehatten. Daher gälten nun neue Bestimmungen:

„eine Person, die nach Bolivien einzureisen wünscht und erklärt, dass sie ein bestimmtes Kapital besitze und einen bestimmten Beruf ausübe, kann die Einreiseerlaubnis für zwei Jahre erhalten, während welcher sie die Wahrheit ihrer sich auf den Beruf beziehenden Erklärungen beweisen muss; nach Ablauf dieser Frist erhält sie das endgültige Aufenthaltsrecht, sofern ihre Erklärungen sich als zutreffend erwiesen haben. Im umgekehrten Fall behält sich die Regierung das Recht vor, sie auszuweisen.“

Die Hilfsvereinigung wies alle Auslandsberater an, auf richtige Angaben zu drängen, damit der Aufnahmewille nicht gefährdet werde. In anderen südamerikanischen Ländern war die Aufnahme zu diesem Zeitpunkt bereits eingeschränkt. Zudem wiesen sie daraufhin, dass nur das Berliner Konsulat Visa erteile.

Zwischen 1938 und 1941 flüchteten 20.000 Jüdinnen und Juden über Chile nach Bolivien. Dies war vermutlich auch dem Einfluss des ‚Zinnbarons’ Mauricio/Moritz Hochschild zu verdanken, der ein Drittel von Boliviens Mineralstoffproduktion kontrollierte. Er hatte Verbindungen zu Präsident Germàn Buch Beccera, der ab 1935 die Einwanderung von Europäern betrieb. Visa vergaben die Bolivianischen Konsulate in Zürich, Paris, London, Berlin und Wien. Hochschilds Sociedad de Protection a los Immigrantes Israelitas (SOPRO) richtete gemeinsam mit der American Jewish Joint Distribution Committee Beratungsstellen für die Migrant_*innen ein. Die SOPRO half Flüchtlingen zudem über die grüne Grenze nach Argentinien.[2]

[1] Dok.94: Der Hilfsverein informiert am 16. September 1938 über die Bedingungen der Einwanderung nach Bolivien, in: Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945, Bd. 2: Deutsches Reich, 1938 – August 1939, München 2009, S. 289 f. Alle Zitate ebd.
[2] S. dazu https://www.ushmm.org/wlc/en/article.php?ModuleId=10007824, Zugriff am 16. August 2015. Der Nachlass von Moritz Hochschild befindet sich im Leo Baeck Institut, New York.

erinnert an einen Menschen, der das Exil nicht überlebt hat

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