Die Journalistin, Autorin und SPD-Politikerin Lily Pringsheim, geb. Chun (1887–1954)[1] war die Enkelin von Carl Vogt, Abgeordneter im Paulskirchenparlament und Gründer der Universität Genf. Seit 1906 war sie mit Ernst Pringsheim verheiratet, mit dem sie fünf Kinder hatte und von dem sie 1921 geschieden wurde.
Seit 1921 lebte sie in Darmstadt und war als Volksschullehrerin tätig. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt trat sie in die SPD ein. Mit Wilhelm Leuschner und seiner Familie war sie eng befreundet. Von 1931 bis 1933 war sie für die SPD Abgeordnete des Volksstaates Hessen, ihre Schwerpunkte waren Kultur- und Sozialpolitik. Den Nationalsozialisten warf sie in der Sitzung vom 28. Juli 1932 vor, „die parlamentarische und menschliche Würde […] in den Staub“[2] zu treten.
Nach dem 30. Januar 1933 wurde Lily Pringsheim unter polizeiliche Aufsicht gestellt, zwei ihrer Söhne konnten das Jurastudium nicht abschließen, ein dritter wurde als Parlamentsschreiber entlassen. Im Juli 1933 floh sie mit ihrer jüngsten Tochter Heidi über Dresden-Bodenbach zunächst nach Prag, dann nach Wien und schließlich nach Brno, wo sie für die „Liga für Freiheit und Frieden“ tätig war und u. a. Jean Genet beherbergte. 1938 emigrierte sie unter einem tschechischen Namen nach London und schließlich 1940 zu ihrer ältesten Tochter Marianne nach Peru. Dort kritisierte sie den unter den Emigranten herrschenden Antisemitismus und betrieb nicht zuletzt deshalb ihre Migration in die USA. [3] Von 1941 bis 1950 lebte sie in den USA, wo sie für die „Social Democratic Federation“ sowie eine Quäker Organisation tätig war.[4]
1950 kehrte Pringsheim nach Darmstadt zurück, konnte in der Hessischen Nachkriegs-SPD jedoch nicht wieder Fuß fassen. Bis zu ihrem Tod war sie als Volkshochschullehrerin tätig. Der Nachlass von Lily Pringsheim befindet sich im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt, in Darmstadt-Arheilgen erinnert eine Stichstraße an die Politikerin.
[1] Zu Lily Pringsheim s. Langer, Ingrid: Lily Pringsheim, in: dies.: Zwölf vergessene Frauen. Die weiblichen Abgeordneten im Parlament des Volksstaates Hessen, ihre politische Arbeit – ihr Alltag – ihr Leben, Frankfurt 1989, S. 100–165.
[2] Ebd., S. 133. Auch ihr ältester Sohn Karl Pringsheim engagierte sich in der SPD.
[3] Ebd., S. 151 f.
[4] Ebd., S. 153–157.